Das Bündnis Verkehrsinitiativen hat unter Mitwirkung seiner Mitstreiter einen Brief zum Thema Verkehr an die Koalitionsverhanlder*innen aller beteiligten Parteien geschickt.
Darin enthalten sind Links zum Rechtsgutachten (Download) und zu einer Publikation zum Bundesverkehrswegeplan.
Der Brief im Wortlaut und als pdf-Dokument zum Download:
An die Koalitionsverhandler*innen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und CDU/CSU
Sehr geehrte Damen und Herren,
Wir sind ein Bündnis von mehr als 30 Verkehrsinitiativen aus ganz Deutschland und wenden uns an Sie mit der Bitte, bei den Koalitionsverhandlungen die Meinungen und Forderungen des Bündnisses Verkehrsinitiativen zu berücksichtigen.
Klimaziele im Verkehrssektor nur mit einem Set von Maßnahmen erreichbar
Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 ist es nun verpflichtende Aufgabe der Politik, bis Ende 2022 konkrete Schritte zur Erreichung der Klimaziele für die Zeit nach 2030 zu regeln. Der Verkehrssektor ist für ein Fünftel der deutschen THG-Emissionen verantwortlich. „Eine Projektion der CO2-Emissionen im Verkehrssektor auf das Jahr 2030 ergibt eine große Klimalücke in Bezug auf das von der Bundesregierung verabschiedete Klimaschutzgesetz“ (Umweltbundesamt). Alle Verkehre belasten die Umwelt durch ihre Emissionen. Daher muss eine klimaneutrale und nachhaltige Mobilität umgebaut werden nach der Devise: Vermeidung – Verlagerung – Verbesserung. Wir fordern einen Plan mit konkreten und messbaren Schritten für die einzelnen Jahre bis 2035:
• Umweltverträglichere Verkehrsträger wie Schiene und Wasserstraße stärken.
• Die Ziele des Klimaschutzplanes für 2030 sind im Verkehr nur mit einem Set von weitreichenden Maßnahmen und Instrumenten erreichbar, welche Effizienz und alternative Antriebe fördern, die zu kleineren Kfz, zu einer geringeren Leistung und einem geringeren Gewicht der Kfz führen (was auch den Straßenverkehrslärm mindert), den motorisierten Individualverkehr stärker bepreisen und den Umweltverbund ausbauen und stärken.
• Integratives Bundesmobilitätsgesetz BMobG statt Einzelgesetze (u.a. AEG, BFSTrG,
LuftVG) einführen. Das BMobG muss Richtschnur sein aller Gesetze im Mobilitätsbereich inkl. Klima- und Gesundheitsschutz, Flächenverbrauch und – gerechtigkeit.
• Klimaschädliche Subventionen im Verkehrssektor (Entfernungspauschale, geringe Diesel- und Kerosinsteuer, Dienstwagen, Agrardiesel) müssen abgebaut werden.
• Einführung von Tempolimits auf Autobahnen (z.B. 120 km/h) und innerhalb von Ortschaften (z.B. 30 km/h). Diese sind gut für Sicherheit, Entschleunigung, Gesundheit, Klima und andere Fahrzeugkonzepte.
Neue Kriterien für die Überprüfung des Bundesverkehrswegeplans
Der Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) soll umgehend überarbeitet werden im Einklang mit dem Natur-, Arten- und Klimaschutz. Diese sind bei der bisherigen Aufstellung nicht angemessen berücksichtigt worden. Angesichts der Emissionsentwicklungen im Verkehrssektor braucht es jetzt schnell ein Sofortprogramm, durch welches das 1,5
Grad Ziel erreicht werden kann. Gerade Straßenbauprojekte fördern noch mehr Verkehr und steigern die Klimagas-Emissionen auch durch den Bau. Zudem zementieren, im wahrsten Sinne des Wortes, die jetzt geplanten und realisierten Straßenbauprojekte die Mobilität der nächsten Jahrzehnte. Zudem kann durch die Versiegelung von Vegetationsflächen weniger CO2 abgebaut werden. Durch neue Straßen induzierter motorisierter Straßenverkehr ist klimaschädlich.
Kriterien der Bedarfsplanüberprüfung müssen sein:
• Berücksichtigung von Klimawandel und Natur- und Artenschutz
• Verkehrsverlagerung von der Straße auf Schiene und Wasserwege
• Realistische Schätzung von Nutzen und Kosten
• Neubewertung der Einzelprojekte statt einer bloßen Gesamtbeurteilung des BVWPs
• Reale Bürgerbeteiligung sowie Einbeziehung der Umwelt- und Verkehrsinitiativen und -verbände bei der Überprüfung
Der Bundesverkehrswegeplan 2030 ist nicht kompatibel mit den Klimazielen. Er ist rechtlich unverbindlich und in seiner Priorisierung unklar. Mehrere Rechtsgutachten belegen:
Eine kurzfristige Überarbeitung des aktuellen Plans ist rechtlich unproblematisch möglich.
Eingestellte Projekte können auch gestrichen werden.
Auch in der Phase der Planfeststellung ist es rechtlich widerspruchsfrei möglich, die Ausbaugesetze zu ändern oder aufzuheben und damit den Planungsprozess zu stoppen.
Beteiligung von Umweltexperten bei Überarbeitung des Methodenhandbuches
Das Methodenhandbuch zum BVWP wurde von Transport-Unternehmen anstelle von
Experten für Klimawandel, Natur und Umwelt entwickelt und muss überarbeitet werden. Die Überarbeitung des Methodenhandbuches zum BVWP soll nach der Devise erfolgen: „Mit nachhaltiger Mobilität gegen den Klimawandel“.
Verkehrswende ist auch Schutz vor Schadstoffen und Lärm
Für eine Senkung der Schadstoff- und Lärm-Emissionen im Verkehr müssen deutlich ambitioniertere/niedrigere Grenzwerte, für alle Kfz in allen Betriebszuständen und ohne Ausnahmen, ohne Einfluss der Kfz-Hersteller und Kfz-Zulieferer erstellt werden, die dann auch unter Androhung empfindlicher Strafen einzuhalten sind. Verschiedene Gutachten dazu, auch vom Bundesumweltamt, liegen bereits vor.
Verantwortungsvoller Umgang mit finanziellen Ressourcen
Da die Corona-Pandemie und die Flutkatstrophe viele Milliarden Euro kosten, darf im
Verkehrssektor nur das Notwendige in Angriff genommen werden: Mehr Investitionen in Erhalt statt Neubau und die Gelder umwidmen zur Verbesserung, vor allem der Bahn.
Vorbild: Österreich hat bereits mit der Verkehrswende begonnen
Österreich konkretisiert seine Klimapolitik bereits seit Mitte 2021. Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespaket ist beschlossen, Bundesstraßen-Projekte
werden evaluiert, es liegt ein Mobilitätsmasterplan 2030 für Österreich vor und ab Oktober
2021 gibt es das Klimaticket für Österreich. Leonore Gewessler, Bundesministerin für Klimaschutz …: „was wir jetzt bauen bestimmt, wie unser Verkehrssystem in Zukunft funktioniert“. Für nachhaltige Mobilität in Österreich werden als Ziele und Maßgaben formuliert: 1. Vermeidung von Verkehr, 2. Verlagerung, 3. Verbesserung.
Wir müssen jetzt die Weichen stellen für nachhaltige Mobilität. Die geplanten
Bundesfernstraßen müssen überprüft werden. Denn Wirtschaft und Gesellschaft richten sich an dem vorhandenen Verkehrssystem aus, und zwar für viele Jahrzehnte. Wir brauchen Lösungspakete mit verkehrsträgerübergreifenden Alternativen.
Deshalb: Zukünftiges Ressort Mobilität und Verkehr muss von Bündnis 90/Die Grünen geleitet werden
Das Ressort Mobilität und Verkehr soll in einer neuen Bundesregierung anstatt wie bisher viele Jahre von der CSU nun von Bündnis 90/Die Grünen geleitet werden. In ihrem Wahlprogramm haben die GRÜNEN ein Moratorium zum Neubau von Fernstraßen beschlossen. Dieses Anliegen wird auch vom Bündnis Verkehrsinitiativen unterstützt.
Verkehrswende JETZT beginnen: Moratorium für den Neu- und Ausbau von Bundesfernstraßen!
Die Verpflichtungen aus dem Klimaschutzgesetz gebieten mindestens bis zum Abschluss der aktuell laufenden Bedarfsplanüberprüfung nach dem Fernstraßenausbaugesetz einen „Verzicht“ auf die Einleitung neuer straßenrechtlicher Planfeststellungsverfahren, eine Aussetzung laufender Planfeststellungsverfahren sowie eine Aussetzung der Realisierung planfestgestellter Bundesfernstraßen jedenfalls für diejenigen Abschnitte, mit deren Bau noch nicht und nur unwesentlich begonnen wurde. Es gibt keine verbindlichen zeitlichen Vorgaben oder sonstigen gesetzlichen Durchführungspflichten, die in den unmittelbar kommenden Jahren den Neu- oder Ausbau von Bundesfernstraßen verlangen. Das Fernstraßenausbaugesetz ist dafür mit einem entsprechenden Vorbehalt zu versehen, so dass vorerst für neue und laufende Planfeststellungsverfahren keine Planrechtfertigung gegeben ist.
Für den Klimaschutz fordern wir die sofortige Aussetzung des Neu- und Ausbaus von Autobahnen und Bundesstraßen sowie eine grundlegende Überprüfung der Bedarfspläne.
Um der Forderung nach einer Verkehrswende Nachdruck zu verleihen, werden bundesweit vom 8. bis 10. Oktober Aktionstage durchgeführt, an denen sich viele Mitglieder unseres Bündnisses beteiligen.
Barbara Siebenkotten, Hamburg
Dr. Irmtraud Kannen, Cloppenburg Ernst-Josef Spindler, Burghausen i.OB Stefan Schwaller, Weilheim i.OB.
im Namen aller bei uns beteiligten Verkehrsinitiativen aus ganz Deutschland
info@buendnis-verkehrsinitiativen.de www.buendnis-verkehrsinitiativen.de Sie finden uns auch bei Facebook, Instagram, Twitter und Google